WEP Chef blickt auf Ansiedlungsstrategie Schleswig-Holstein

Digitalisierung, Klimaveränderung, neue Mobilität, knappe Gewerbeflächen, Mangel an Fachkräften – all dies sind besondere Herausforderungen für die Ansiedlung neuer Unternehmen. WEP Geschäftsführer Harald Schroers wirft in einem Interview mit dem WEP Report einen Blick aus der Perspektive des Kreises Pinneberg auf die neue Ansiedlungsstrategie des Landes Schleswig-Holstein.

Herr Dr. Schroers, das Land Schleswig-Holstein will sich bei der Werbung um Unternehmensansiedlungen neu sortieren und hat dafür kürzlich eine Ansiedlungsstrategie vorgestellt. Was bedeutet das für den Kreis Pinneberg und die kreiseigene WEP Wirtschaftsförderung?

In erster Linie ist es ja die Strategie, an der das Land und die WTSH, also die Landeswirtschaftsförderung, ihr künftiges Vorgehen ausrichten wollen. Aber es ist richtig, wenn Wirtschaftsminister Buchholz sagt, dass wir alle an einem Tampen ziehen müssen. Schleswig-Holstein steht im harten Wettbewerb um Betriebsansiedlungen und hat trotz positiver Entwicklung im bundesweiten Vergleich wirtschaftlichen Aufholbedarf. Dafür müssen die kreiseigenen und auch die kommunalen Wirtschaftsförderungen ihre Hausaufgaben so gut wie möglich im Einklang miteinander und mit den Landeszielen machen. Das Land wiederum sollte die lokalen Besonderheiten und Stärken berücksichtigen. Und auch die Politik ist auf allen Ebenen gefragt, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Im Kreis Pinneberg sind Ansiedlungsflächen für Unternehmen inzwischen aber rar geworden, oder?

In der Tat. Wir sind im Land flächenmäßig zwar der kleinste, wirtschaftlich aber einer der stärksten Kreise, der auch in der Metropolregien und bundesweit in der vordersten Reihe der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte mitspielt. Vor allem die gute Lage mit unserer direkten Grenze zu Hamburg und an den wichtigen Nord-Süd-Verkehrsachsen beschert uns eine hohe Nachfrage. Der Platz für Ansiedlungen ist daher vor allem in den verkehrsgünstigen Lagen immer knapper geworden, auch in unseren eigenen Gewerbegebieten. Diese Knappheit wird tendenziell bleiben, denn die Besiedlung im Kreis Pinneberg wird immer dichter, und damit wird der Wettbewerb der verschiedenen Flächennutzungen, also Wohnen, Verkehr, Gewerbe, Naturschutz, Landwirtschaft, Erholung usw. auch immer intensiver.

Das Land setzt auf eine ressourcenschonende Entwicklung, nach der in Zukunft weniger Flächen für Siedlungsbedarf neu beansprucht werden sollen. Wird sich der Wettbewerb um die Flächennutzung weiter verstärken?

Davon können wir ausgehen. Unsere Flächen sind endlich und wir müssen damit klug haushalten, insbesondere die weitere Versieglung einschränken. In Schleswig-Holstein sollen deswegen ab 2030 nur noch 1,3 ha je Tag für Straßen, Gewerbe- oder Wohngebiete neu in Anspruch genommen werden, statt etwa 3 ha wie bisher. Daraus ergeben sich große Herausforderungen für zukünftige Unternehmensansiedlungen, wie ein Blick auf unseren lokalen Markt für Gewerbegrundstücke zeigt. Im Durchschnitt der vergangenen 11 Jahre wurden im Kreisgebiet pro Jahr etwa 13 ha für den Gewerbebau in Anspruch genommen. Aktuell beträgt das Angebot an sofort und restriktionsfrei nutzbarer Baufläche etwa 26 ha. Rein rechnerisch reicht also das Bauflächenangebot für Gewerbe in den Städten und Gemeinden unseres Kreises aktuell für rund 2 Jahre. Gleichzeitig werden die Entwicklungszeiten für neue Gewerbegebiete immer länger. Von der Idee bis zur ersten Betriebsansiedlung rechnen wir heute eher in Generationen, als in Zeiträumen von wenigen Jahren.

Um zu erreichen, dass Gewerbeflächen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden, so steht es in der Landesstrategie, ist ein enger Schulterschluss des Landes mit den Kommunen, der WTSH und den regionalen Wirtschaftsfördergesellschaften herzustellen. Was heißt das für die WEP?

Für einen engeren Schulterschluss mit dem Land ist die WEP jederzeit offen. Wir schauen schon lange, welche Ansiedlungsaktivitäten des Landes für den Kreis Pinneberg passen und wie wir uns einbringen können. Wir sind zum Beispiel Mitbegründer der Regionalen Kooperation Westküste, in der die Kreise Pinneberg, Steinburg, Dithmarschen und Nordfriesland sowie die IHKs und wechselnde Partner wie die FH Westküste kooperieren. Dort kümmern wir uns unter Federführung der Projektgesellschaft Norderelbe, einer 50-prozentigen Tochtergesellschaft der WEP, gemeinsam um die wirtschaftliche Entwicklung entlang der Achse A 23/B5. So haben wir ein Gewerbeflächenkonzept samt Flächenatlas erstellt und damit ein wichtiges Instrument zur Gewerbeflächenentwicklung an der Westküste geschaffen. Mit Monitorings beobachten wir den Markt laufend weiter und suchen mit den Kommunen und der Landesplanung nach neuen Lösungen. Auch ein Leitfaden über das Gewerbegebiet der Zukunft ist entstanden. Außerdem haben wir Erfolgsfaktoren für innovative Unternehmensgründungen an der Westküste ermittelt und in dem Papier umsetzungsfähige Handlungsempfehlungen benannt, unter anderem für ein wichtiges Wirtschaftsförderungsinstrument: ein Gründungs- und Technologiezentrum für den Kreis Pinneberg, für das wir beim Wirtschaftsminister um Unterstützung angefragt haben. Mal schauen, wie unterschiedlich ein Schulterschluss verstanden werden kann.

Nochmal andersrum gefragt, wenn das Angebot jetzt schon so knapp ist und die Entwicklungsmöglichkeiten zukünftig weiter begrenzt werden, wo sollen dann die mit der Ansiedlungsstrategie umworbenen Unternehmen angesiedelt werden?

Mit der erwähnten Kooperation Westküste hatten wir vor bereits acht Jahren für den Kreis Pinneberg, vor allem in den Städten an den Autobahnen A23 und A7, beispielsweise in Tornesch oder Elmshorn, größere Flächenpotentiale vorgeschlagen, die von der Landesplanung als genehmigungsfähig angesehen und von der kommunalen Nachbarschaft akzeptiert werden. Diese Flächen werden in der nächsten Dekade Stück für Stück an den Markt kommen.

Einige wenige Grundstücke halten wir noch in unseren eigenen Gewerbegebieten bereit. Darüber hinaus entwickeln wir zusammen mit der Stadt Quickborn ein etwa 20 ha großes Gewerbegebiet, in dem etwa ab 2023 gebaut werden kann. Auch die Gemeinden verfügen noch über vereinzelte Grundstücke und entwickeln dort, wo es noch möglich ist, weitere Gewerbegebiete. Ein aktuelles Beispiel ist die Gemeinde Kummerfeld, die ein etwa 6,5 ha großes Gebiet in den Verkauf gebracht hat. Für anfragende Betriebe, die nicht direkt an der Autobahn liegen müssen, suchen wir gerne bei den eher ländlich gelegenen Gemeinden. Auch kooperieren wir mit Nachbarkreisen, um interessierte Investoren nicht an andere Bundesländer zu verlieren.  

Stand jetzt werden wir die Nachfrage nach Gewerbegrundstücken im Kreisgebiet aber nicht mehr vollständig decken können. Auch im Hinblick auf eine geringere Inanspruchnahme von Flächen für die Neuversiegelung müssen wir daher ergänzende Lösungen suchen, damit sich unsere Wirtschaft weiter entwickeln kann.

Wie könnten diese, vor allem die flächensparenden Lösungen, aussehen?

Na ja, naheliegend aus der Sicht einer Stadt wäre es, auf die Ansiedlung von flächenintensiven Betrieben zu verzichten, also auf solche, die pro Mitarbeiter oder je Umsatzeuro mehr Fläche beanspruchen als der Durchschnitt. Die Erfahrung zeigt aber, dass dies nur zur Verdrängung führen würde. Die entsprechenden Betriebe siedeln sich woanders an, damit gehen Steuereinnahmen und Arbeitsplätze verloren und vielleicht wichtige Stationen in der regionalen Wertschöpfungskette, beispielsweise in der Logistik. Ob stattdessen tatsächlich in größerem Umfang Betriebe gewonnen werden können, die nicht flächenintensiv sind, bleibt zudem zweifelhaft. Der Kreis Pinneberg ist kein Bürostandort und wird bei den wenig flächenintensiven Betrieben meist das Nachsehen gegenüber Hamburg haben. Eine andere ergänzende Möglichkeit wäre eine größere bauliche Verdichtung, beispielsweise über Vorgaben zu mehr Geschossen im Gewerbebau. Eine weitere Lösung könnte die verstärkte Revitalisierung brachliegender Gewerbeflächen sein, dafür müssten dann keine neuen Flächen versiegelt werden. In einem größeren Umfang passiert das gerade in Wedel, wo ein altes Raffineriegelände für moderne Ansiedlungen neu nutzbar gemacht wurde. Insgesamt lässt sich der Bedarf mit den genannten Maßnahmen aber nicht decken. Die greifen nur für Einzelfälle.

In den Westküstenkreisen entlang der A 23 sieht das Land in seiner Ansiedlungsstrategie vorrangig den Energiesektor. Passt das auch für den zur Westküste zählenden Kreis Pinneberg?

Die Westküste mit ihren Windparks und ihrer langjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet ist prädestiniert, die Energiewende zu befördern. Unter der Dachmarke Energieküste arbeiten wir mit zahlreichen Akteuren aus der Regionalen Kooperation Westküste daran, deren Vorreiterrolle in Sachen erneuerbare Energien zu festigen und auszubauen. Anfang des Jahres hat die Energieküste eine Studie über die Entwicklung der Wasserstoff-Nachfrage an der Westküste vorgestellt. Was unseren Kreis betrifft, so haben die Gutachter die Region Elmshorn/Tornesch als einen Konzentrationspunkt für die Wasserstoffwirtschaft, und zwar im Bereich Logistik und Abfallwirtschaft, identifiziert. Tatsächlich ist der Kreis Pinneberg, abgesehen von der Offshore-Windwirtschaft um und auf Helgoland und dem dortigen Wasserstoff-Projekt, allerdings nicht der Standort, der geeignete Flächen für alternative Energieerzeugung oder für die Batterieherstellung anbieten kann. Auch auf eine kürzlich umlaufende Anfrage, mit der ein amerikanischer Hersteller einen Produktionsstandort für Elektroautos in einer Größe von 200 bis 400 ha suchte, konnten wir mangels Fläche nicht reagieren. Aber bekanntlich hebt die Flut ja alle Schiffe im Hafen. Wir gehen deswegen davon aus, dass eine erfolgreiche, auf alternative Energie fokussierte Ansiedlungsstrategie für die Westküste auch unsere bisherigen Kompetenzen in Handel, Produktion und Dienstleistung stärken wird. Darum macht es für uns Sinn, dass wir die Ansiedlungsstrategie des Landes auch dort unterstützen, wo sie nicht hundertprozentig zu uns passt.

Das Land will seine Standortvermarktung optimieren, um Schleswig-Holstein im nationalen wie internationalen Standortwettbewerb stärker zu profilieren und zu behaupten. Behauptet der Kreis Pinneberg dabei seine Eigenständigkeit und kann die WEP dazu auch einen Beitrag leisten?

Genau das tun wir schon. Seit Jahren rühren wir die Werbetrommel, präsentieren den Standort Kreis Pinneberg zum Beispiel auf einschlägigen Messen, wie der Immobilienmesse Expo Real, wo wir auf dem schleswig-holsteinischen Gemeinschaftsstand ausstellen. So haben potentielle Investoren die Möglichkeit, uns kennenzulernen und das Land hat die Chance, die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der schleswig-holsteinischen Regionen vorzustellen. Wir sind zudem gerade dabei, eine Standortkampagne für den Kreis Pinneberg zu entwickeln, um potentielle Investoren neugierig zu machen und ihnen die Vorzüge unsere Region und den sich hier bietenden Möglichkeiten aufzuzeigen. Wir sehen das auch als Beitrag, uns im Land Schleswig-Holstein und gegenüber Hamburg hervorzuheben.

Neben dem ansiedlungsorientierten Marketing unterstreicht die Landesstrategie den hohen Stellenwert der Bestandspflege, nicht zuletzt, weil aus der Weiterentwicklung bestehender Unternehmen tendenziell mehr Wirtschaftswachstum resultiert als durch Neuansiedlungen.

Das ist auch unsere Erfahrung. Deshalb helfen wir, wo möglich, bei der Grundstückserweiterung oder bei der Suche nach einem neuen Grundstück für die Betriebserweiterung. Entsprechend erfolgt der größte Anteil unser Grundstückverkäufe an Unternehmen aus dem Kreis. Wir bieten zudem Fachvorträge, Workshops und Beratungen an zu aktuellen Themen, die den Unternehmen unter den Nägeln brennen, schaffen Netzwerke und vieles mehr. Dazu muss man allerdings erstmal die Wünsche und Sorgen der Betriebe kennen. Deshalb halten wir engen Kontakt zu den Unternehmen, besuchen sie, fragen ihre Zufriedenheit ab oder laden zu Nachbarschaftstreffen ein.  

Was wäre aus Ihrer Sicht noch wichtig für eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik?

Auch da stimmt die WEP mit der Landesstrategie überein: Wir brauchen mehr Fachkräfte. Auch eine gute Infrastruktur ist wichtig. Beispielsweise müssen die A 20 und das flächendeckende Glasfasernetz schnellstens kommen Und wir brauchen einen optimierten öffentlichen Nahverkehr sowie ausreichend Wohnraum, Schulen, Kitas und Freizeitangebote. Für Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind das entscheidende Standortfaktoren. Doch erfolgreiche Ansiedlung braucht in Zukunft noch mehr: Die innovative, smarte Gewerbefläche. Sie wird zum Beispiel nachhaltig mit sauberer Energie versorgt, produziert und verteilt diese im Idealfall sogar autark untereinander, setzt außerdem auf klimafreundliche, naturnahe Gestaltung und ein Konzept, das neue Arbeitsformen ermöglicht. Auch daran arbeiten wir als WEP. Einen ersten großen Feldversuch starten wir hierfür mit dem neuen Gewerbegebiet in Quickborn. Dort sind klassische Heizungen mit Öl-, Gas- oder Holzbetrieb nicht mehr erlaubt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Zum Nachlesen:

Ansiedlungsstrategie des Landes Schleswig-Holstein
Erfolgsfaktoren für innovative Unternehmensgründungen
Leitfaden Gewerbegebiete der Zukunft
Entwicklungspfade einer Wasserstoffwirtschaft an der Westküste

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